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Kunst für die Stadt


Abb.:
1 V. Acconci/ München
2 M. Kasimir, München
3 H. Blum/ München
4 L. Baumgarten, München
5 www.quivid.de

"Kunst für die Stadt"

Dr. Heinz Schütz, München

Dr. Heinz Schütz ist freier Journalist und Kunstheoretiker, hat soeben die umfangreiche Publikation " Stadt.Kunst" (Verl. Lindinger und Schmid, ISBN 3-929970-43-0) herausgegeben und war von 2000-2002 Vorsitzender der Münchner "Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum"

Eine Zusammenfassung:

Heinz Schütz eröffnet seinen Vortrag mit einem kritischen Blick auf das fragwürdige Verhältnis von Kunst und demokratischen Auswahlprozessen und thematisiert die Abstimmung als demokratisches Instrument:
"Gemäß demokratischer Tradition werden in Kommissionen Entscheidungen qua Abstimmung getroffen. Ohne das Verfahren grundsätzlich in Frage zu stellen, gilt es seine negativen Implikationen ins Blickfeld zu rücken, Implikationen, die mit dazu beitragen, den traditionellen Grundkonflikt zwischen Kunst und Gremien zu schüren:

Abstimmung als Guillotine: Die Abstimmung ist eine frühe Form der Computerisierung. Das digitale System, das auf dem binären Code basiert, entspricht dem Ja und Nein der Abstimmung. Die Abstimmung reduziert die Welt für einen Augenblick auf ja oder nein. Sie ist Ausdruck, der an die Abstimmenden delegierten Macht. Abstimmende sind die Henker, die das Feld der offenen Möglichkeiten exekutieren. Jede Abstimmung funktioniert wie eine Guillotine.

Paradox der Abstimmung: Demokratie basiert auf der Verallgemeinerung des Satzes: Deine Stimme zählt. Das Paradoxe daran ist: Je mehr abstimmen, desto weniger zählt eine Stimme. Anders ausgedrückt: Das demokratische Ideal der hohen Wahlbeteiligung, senkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Stimme etwas bewirkt, geschweige denn, den Ausschlag gibt.

Abstimmung und Entpersonalisierung: Die Abstimmung reduziert Personen auf statistische Größen. In dem Augenblick, wo der Abstimmende die Hand hebt, läßt er seine Person hinter sich und verwandelt sich in eine Zahl im Abstimmungsgefüge.

Abstimmung und Verantwortung: Die Abstimmung trägt zur Vergesellschaftung der Verantwortung bei, soweit bis am Ende niemand mehr verantwortlich ist, es sei denn es erklärt sich jemand zum Repräsentanten der Gruppenentscheidung.

Abstimmung und Parteibildung: Sobald über einen Sachverhalt abgestimmt wird, setzt die Parteibildung ein. Ähnlich wie die Medien, die Realität, die sie scheinbar abbilden tatsächlich erzeugen, produziert auch die Abstimmung soziale Fakten, die mit dem worüber abgestimmt wird, nur noch wenig zu tun haben.

Verlust des Extremen: Abstimmungen tendieren dazu, dass Extreme und radikale Äußerungen keine Mehrheit finden. Die daraus resultierenden Mittelllage vieler Abstimmungsergebnisse ist für künstlerische Äußerungen kontraproduktiv.

Abstimmungsexzess: Grundsätzlich läßt sich über alles abstimmen. Ohne Korrektiv, dass die Sache als Ganzes im Blick behält, kann das Nebensächlichste qua Abstimmung zur Hauptsache erklärt werden. In Kunstfragen stößt das Abstimmbare mit den Intentionen des Künstlers, respektive der Struktur einer Arbeit an eine Grenze."*

Er verweist im Folgenden auf eines der häufigsten Mißverständnisse bzw. Grundsätze im Demokratieverständnis:
"Demokratische Gremien verfehlen ihr Ziel, wenn sie im Umgang mit Kunst einen Repräsentationsraum für alle festlegen wollen. "Demokratisch" bedeutet letztlich die Eröffnung eines heterogenen Raumes, eines Artikulationsfeldes, das sich nicht von vorneherein mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner bescheidet, sondern die einzelnen Stimmen klar profiliert und das nivellierende "weiße Rauschen" verhindert und dies im Bewusstsein auch jener gesellschaftlichen Kräfte, die jenseits demokratischer Abstimmungsverfahren wirken."*

Insofern ortet er die entscheidenden Vorraussetzungen zu einer akzeptablen Kommissionsarbeit in deren grundsätzlichem Aufgabenverständnis, das in der klar profilierten Eröffnung dieses heterogenen Raumes liegen muss. Dazu ist die Herstellung einer größtmöglichen Öffentlichkeit wie Transparenz genauso bestimmend wie das stetige Überdenken des eigenen Grundsätze. Solch ein Selbstverständnis und besonders die Besetzung der Gremien mit unabhängigen Experten vorausgesetzt biete eine Kunstkommission zwar kein optimales, aber beim Status Quo momentan zur Verfügung stehender Entscheidungsfindungsprozesse vielleicht angemessenstes Mittel, um diese schwierige Aufgabe zu bewältigen. Besonders die Übernahme dieser Entscheidungen durch die Ämter bilde hier keinesfalls eine Alternative, was in München von diesen selbst schon früh erkannt worden sei.

Er stellt im Folgenden die Zusammensetzung sowie die Arbeitsweise der Kommission anhand des Wettbewerbs zum sog. "Bahndeckel" in München vor. Besonders hebt er auch die in den letzten Jahren entstandene website quivid hervor, die maßgeblich zur Transparenz der Kommissionsarbeit beiträgt.

* zitiert nach dem Vortragspapier "Demokratie und Auftragskunst" von Dr. Heinz Schütz, München

Zusammenfassung: Markus Ambach

 

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